Health-Claims bei Botanicals – ändert sich etwas?
Nach der Vorlage des dBGH zu I ZR 109/22 ist ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu C-386/23 anhängig, bei welchem vor kurzem die Schlussanträge des Generalanwalts veröffentlicht wurden. Nachstehend möchte ich dies kurz beleuchten und versuchen, einen Ausblick zu geben. Der Text ist möglichst einfach gehalten und ich spare mir ausufernde Zitate. Die Juristen mögen mir das verzeihen, aber die Wiedergabe zeilenlanger Sätze aus der Rsp bringt niemanden weiter. In meiner Wahrnehmung gab es in diesem Verfahren schon bei Veröffentlichung der Vorlagefrage (bewusst geprägte?) Äußerungen, in die Richtung, Health-Claims zu Botanicals wären unzulässige. Das Gegenteil ist mE der Fall, wobei natürlich die E des EuGH abzuwarten bleibt. Die Ausführungen stehen daher unter der Bedingung, der EuGH folgt dem Generalanwalt.
Die Mitgliedsstaaten sollten der Kommission bis 31.01.2008 Listen mit gesundheitsbezogenen Angabe übermitteln, was auch geschah. Damit war der Kreis der möglichen gesundheitsbezogenen Angaben nach diesem Listenverfahren geschlossen. Die Kommission prüfte diese Angaben in weiterer Folge und sie wurden in einer eigenen Liste (VO als delegierter Rechtsakt) veröffentlicht ( VO 432/2012). Bekanntermaßen jedoch nicht alle aus den eingereichten Listen.
Neue gesundheitsbezogene Angaben (Angaben, die auf neuen wissenschaftlichen Nachweisen beruhen) können seit 31.01.2008 nur mehr nach dem Verfahren des Art 18 zugelassen werden (ich spreche von anderen Angaben als Risk-Reduction Claims oder Kinderclaims). Dieser sehr kurze historische Abriss ist für die vom Generalanwalt zitierten Übergangsvorschriften relevant.
Bisherige Praxis in Österreich
Bis dato war die – zumindest in Österreich –überwiegende Beratungspraxis und mMn auch Beurteilungspraxis der Behörden folgende:
- Ist ein Claim zu einem Pflanzenstoff als gesundheitsbezogen zu werten?
- Wenn ja, ist er „on-hold“?
- Wenn ja, entspricht der für den on-hold Claim verwendete Stoff dem beworbenen Stoff?
- Wenn ja, gibt es allgemein anerkannte, wissenschaftliche Daten zur Rechtfertigung?
- Wenn auch ja, was unter der Verantwortung des Unternehmers zu beurteilen ist, darf der Claim unter den sonstigen Bestimmungen der HCVO (zB Art 5 und 10) verwendet werden?
Gestützt wird dies auf die in der HCVO genannten Übergangsbestimmungen, die nun auch der Generalanwalt zitiert. Unter diesen muss man aber unterscheiden.
Übergangsbestimmungen
Der Generalanwalt sagt zunächst in einem Satz mit 153 Wörtern (auf Deutsch), dass die HCVO der Verwendung von Claims zu Botanicals entgegensteht, solange die Prüfung der Kommission über die Aufnahme in die entsprechenden Listen nicht (positiv) abgeschlossen ist, der Claim also nicht auf der Liste nach der VO 432/2012 ist. Wer hier aufhört zu lesen verpasst aber das Wesentliche: Dies gilt nicht, wenn die Angaben übergangsweise nach den Art 28 Abs 5 oder Abs 6 verwendet werden dürfen.
Was besagen nun diese zwei (nicht einfach zu erfassenden) Übergangsbestimmungen?
Art 28 Abs 5 regelt für Claims nach Art 13 Abs 1 lit a (Bedeutung für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen), dass diese
- bis zur Annahme der Listen nach Art 13 Abs 3
- unter der Verantwortung des Unternehmers
verwendet werden dürfen, wenn sie
- der HCVO und nationalen Rechtsvorschriften entsprechen.
Das bedeutet konkret: Die Listen nach Art 13 Abs 3 sind nicht vollständig angenommen. Unter der Verantwortung des Unternehmers darf der Claim verwendet werden. Jedoch: er muss dennoch on-hold sein! Dieses Kriterium wird vom Generalanwalt, und auch in der ein oder anderen Literatur, nicht deutlich genannt. Es folgt aber unzweifelhaft aus der Forderung, dass die Angabe der HCVO entsprechen muss. Dies ist aber nur in zwei Varianten erfüllt:
- Entweder ist die Angabe auf den Listen der Mitgliedsstaaten, die bis 31.1.2008 der Kommission übermittelt wurden, enthalten (dann bei Botanicals on-hold).
- Oder es erfolge ein Neuantrag nach Art 13 Abs 5 (dann nicht on-hold sondern bewertet nach dem Verfahren nach Art 18).
Ein gesundheitsbezogene Angabe, die keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt, entspricht nicht der HCVO weil es für sie kein Szenarium der Zulässigkeit nach der HCVO gibt.
Health Claims zu Botanicals über Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen dürfen daher nach der bisherigen Beurteilungspraxis verwendet werden. Ist ein Botanicals-Claim nie auf die on-hold Liste gelangt, darf er nicht verwendet werden (ebenso wenn er bereits negativ bewertet wurde).
Dies folgt schon seit 2012 aus den ErwGr 10 und 11 der VO 432/2012 ((10) Aus den zur Bewertung vorgelegten Angaben hat die Kommission eine Reihe von Angaben ermittelt, die sich auf die Wirkung pflanzlicher Stoffe beziehen und die gemeinhin als „Botanicals“ bezeichnet werden; diese müssen von der Behörde erst noch wissenschaftlich bewertet werden. Bestimmte andere gesundheitsbezogene Angaben müssen ferner erneut bewertet werden, bevor die Kommission über ihre Aufnahme in die Liste zulässiger Angaben befinden kann, bzw. über andere bereits bewertete Angaben kann die Kommission aus anderen gerechtfertigten Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend befinden. (11) Angaben, deren Bewertung durch die Behörde oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist, werden auf der Kommissions-Website veröffentlicht und dürfen gemäß Artikel 28 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden.).
Art 28 Abs 6 regelt Übergangsbestimmungen für (verkürzt) Claims zur psychischen Funktion, Gewicht, Hunger sowie über die Gesundheit und die Entwicklung von Kindern und kennt zwei Fallgruppen:
- Claims die in einem Mitgliedsstaat zugelassen waren.
Sie werden von der Kommission bewertet und zugelassen oder nicht. Werden sie nicht zugelassen (daher abgelehnt) dürfen sie noch 6 Monate nach dem Beschluss verwendet werden. Mangels Beurteilung (on-hold) dürfen sie daher weiter verwendet werden. Sonstige Voraussetzungen gibt es keine. Die Zulässigkeit richtet sich nur nach nationalem Recht (Rn 49 im Schlussantrag des GA).
- Wurden diese Claims nicht national zugelassen, musste für sie ein „Antrag“ nach der HCVO vor dem 19.1.2008 gestellt worden sein.
Antrag ist idZ ein schwieriger Begriff, weil es für die Claims nach Art 13 Abs 1 lit b und c (verkürzt: Psyche und Gewicht) kein Antragsverfahren, sondern die Listen gab. Dass es beim Status on-hold für die Zulässigkeit zusätzlich eines Antrags nach Art 13 Abs 5 bedarf, erscheint nicht sachgerecht. Auch hier muss daher mE die Beurteilung als on-hold genügen, wobei man aber auch gegenteiliger Meinung sein kann. Diese Claims waren nämlich a) nie national zugelassen und b) gelten keine sonstigen Voraussetzungen (zB unternehmerische Verantwortung, Art 5 und 10 HCVO).
In Kürze
Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass sich an der Praxis kaum etwas ändern dürfte, wenn der EuGH dem Generalanwalt folgt. Gesundheitsbezogene Angaben, die on-hold sind dürfen unter gewissen Voraussetzungen verwendet werden. Unklar bleibt die Rechtslage von nie national zugelassenen Claims zu Psyche und Gewicht, welche on-hold sind nach dem Listenverfahren des Art 13 Abs 2.
Jakob Hütthaler-Brandauer
PS: Artischocke trägt zur normalen Funktion des Verdauungstraktes bei.